Schluesselbeinbruch (Claviculafraktur) - Tipps und Links

Tagebuch - Judith

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Schlüsselerlebnisse – das Tagebuch einer Schlüsselbein-Fraktur

vorläufige unkorrigierte und offizielle Version –

Schlüsselbein-Bruch
Kein Vertun: das Schlüsselbein (diagonal von rechts Seitenmitte nach links oben) ist gesplittert. Nicht zu sehen ist auf diesem Bild, daß die Bruchstellen um ca. einen Zentimeter hintereinander liegen.
Schon zu sehen: das Gelenk (kugelig) des Schlüsselbeines am Brustbein.
Schluesselbein mit Prevot-Nagelung
Deutlich ist auf diesem Bild nach der Operation der vom Brustbein her eingeschobene Prevot-Nagel zu erkennen.


20. April 2005

Der Sturz vom Pferd geschah in den Abendstunden des 20. April 2005, ein Mittwoch. Ich stürze nach einem Seitensprung des Pferdes im Gelände und knalle mit der rechten Schulter zuerst ins Feld neben dem Weg. Gott sei Dank trage ich eine Reitkappe – so bleibt zumindest der Kopf heile. Der Sturz auf die Schulter ist jedoch schlimm genug: Ich höre es knacken und mir schwant böses. Nach einer kurzen Phase ohne Luft rolle ich mich herum und stehe auf – die Schmerzen sind ungewohnt aber erträglich. Die Kontrolle der Bewegungsmöglichkeiten des Armes ergibt folgendes: Hand, Unterarm und Ellebogen sind okay – die Schulter irgendwie nicht. Ich schaffe es zum Stall zurück zu laufen – auch wenn mir zeitweise der Atem weg bleibt und ich mich leicht schwindelig fühle.

Als ich am Stall ankomme ist klar – Notaufnahme!

Inzwischen ahne ich, dass es sich um einen Bruch des Schlüsselbeins handeln könnte, eine typische Reiter-Verletzung.


Die Fahrt ins Krankenhaus ist grad so erträglich, jede Schwelle, jedes Bremsen lässt mich die Luft anhalten. Dummerweise sitze ich auf dem Beifahrersitz, habe also den Gurt über der rechten kaputten Schulter. Da haben wir irgendwie nicht nachgedacht. Am Krankenhaus angekommen fragen wir uns durch zur Notaufnahme. Nach dem Bezahlen von 10 Euro, Vorzeigen der Krankenkassenkarte und verschiedenen Angaben darf ich im Warteraum Platz nehmen – wir hoffen irgendwie immer noch auf eine Prellung oder so...

Kurz darauf werde ich aufgerufen uns sitze noch fast eine halbe Stunde mit Schmerzen in Behandlungszimmer. Liegen geht nicht, auf einem Hocker sitzen auch nicht. Vor dem Zimmer steht ein alter Sessel – das geht. Als endlich eine Ärztin kommt, ziehen wir den dreckigen Pulli aus und sie tastet mich ab. Ergebnis: Röntgen (ach neee). Nun tippen wir mehr und mehr aufs Schlüsselbein.

Die Ärztin nennt mir dann die Diagnose: Schlüsselbein-Fraktur rechts. Oder fachmännisch: Clavicula-Fraktur. Leider ist der Bruch nicht glatt sondern leicht unregelmäßig.


Weiteres Vorgehen: Rucksackverband und dann bald möglichst zum niedergelassenen Unfallchirurg oder Orthopäden.

Den Rucksackverband kenne ich aus Erinnerungen an die kleine Schwester einer ehemaligen Mitschülerin – klingt alles recht locker.

Zum Anlegen des Rucksackverbandes bleibt nun auch das T-Shirt auf der Strecke – hier haben sie wenigstens eine Schere.

Meine Ahnung bestätigt sich, dass Anlegen geht nur unter Schmerzen und Schreien.

Der Verband liegt genau auf dem Bruch in der Mitte des Schlüsselbeines. Das kann doch nicht sein – Doch es kann!

Die Ärztin wird die Röntgenbilder dabehalten um sie am nächsten Tag einem Oberarzt oder so vorzuzeigen. Dann wird entschieden, ob eine OP (mit Implantieren einer Platte) nötig ist.


Der Rucksackverband ähnelt den Trägern eines Rucksacks – so in etwa "Engelsflügelchen ohne Flügelchen". Er wird gespannt und festgezogen, so dass die Schultern automatisch nach hinten gezogen werden. Grundgedanke ist hier, dass die Bruchstücke des Schlüsselbeins sich durch diese Spannung nach hinten gerade richten. Sowohl am äußeren als auch am inneren (medialen) Ende des Schlüsselbeins setzen Muskeln an und ziehen die jeweiligen Bruchstücke auseinander, das eine nach oben und das andere nach unten. Als mögliche zweite Heilungsmethode könnte man den Bruch mit einer Platte fixieren, um gerade bei komplexen Brüchen und Trümmerbrüchen für Stabilität zu sorgen. Die Aussage ihres Chefs wird sie uns am nächsten Tag per Telefon mitteilen.

Zu diesem Zeitpunkt stellt sich der Verband als hilfreiche Stütze dar und bietet etwas Hilfe gegen die Schmerzen. Als Schmerzmittel erhalte ich Ibuprofen.

Wenn ich mich recht erinnere, war die Information aus der Notaufnahme folgende:

- Rucksackverband und am nächsten Tag vorstellen beim niedergelassenen Unfallchirurg oder Orthopäde

- Schmerzmittel

- Rucksackverband etwa vier Wochen

- Schreiben zu Beginn schwierig

- Autofahren in der Zeit des Rucksackverbandes nicht erlaubt


21. April 2005

Nachts braucht ich Unterstützung beim Hinlegen, Zudecken etc. Nach mehreren Stunden wechsle ich vom Bett (mit hochgestelltem Kopfteil) in den Sessel da ich hier nicht rutsche etc.

Während der Nacht knackt es auffällig in meiner Schulter und ich gehe davon aus, dass sich die Bruchenden bewegen und berühren – keine angenehme Vorstellung! Der Bereich um den Bruch herum verfärbt sich nun blau. Ich traue mich jedoch nicht diese Stelle anzufassen, da ich trotz Röntgenbilder nicht sicher bin, welcher Knochen wo liegt. Echt prickelnd!


Am Morgen klappt das Anziehen nur mit Hilfe, ebenso wie alle sonstigen gewohnten Abläufe. Zähneputzen geht aber alleine...

Am Telefon erhalte ich die Information der "Notaufnahme-Ärztin" dass bei diesem Bruch keine OP mit Platte nötig ist und der Rucksackverband ausreicht. Das ist die erste Meinung von vielen zu diesem Thema.


Nun zum Vorstellen beim niedergelassenen Orthopäden, der meine Krankheitsgeschichte (Wirbelsäule etc.) schon über Jahre kennt. Trotz Privatsprechstunde komme ich recht schnell dran und bin wenige Minuten später mit folgenden Informationen wieder raus:

- Rucksackverband bleibt drauf, ist aber seiner Meinung nicht ideal (es gäbe da eine Studie, die besage, dass der Rucksackverband nicht so hilfreich sei – man habe den Krankheitsverlauf von Patienten mit und ohne Rucksackverband verglichen und keinen großen Unterschied feststellen können. Ich könnte also gerne den Verband zum Duschen/Baden ausziehen und recht locker damit umgehen. Dazu kam die Info: Nach drei Wochen könnte ich den ruhig links liegen lassen.

Im Moment ist aber der Verband fest genug angezogen.

- Autofahren "In der nächsten Woche erst mal nicht"

- OP macht keine Sinn, da der "Knochen durch die Platte noch mehr traumatisiert werde"

- all diese Infos auf Basis der Röntgenbilder aus der Notaufnahme

- ich erhalte eine Krankschreibung bis zum 29.4. und einen Kontrolltermin inklusive Röntgen für den gleichen Tag.

Das war Meinung 2.


Vom Hausarzt aus bin ich mit Novalgin-Tropfen und Ibuprofen-Tabletten versorgt.

Obwohl die Bewegung der/s rechten Hand/Arm/Schulter sehr eingeschränkt ist, schreibe ich einige wichtige e-mails und recherchiere im Internet zum Thema Schlüsselbein-Bruch.

In diesem Zusammenhang stoße ich über Google auf die Homepage von Hannes Birnbacher (www.hannes-birnbacher.de). Er schildert seinen Leidensweg nach einem Schlüsselbeinbruch sehr detailliert, gibt Hinweise und Tipps. Allerdings sieht sein Bruch anders aus und ist komplizierter (Röntgenbilder) – doch der Zustand der zusammengewachsenen Knochen erschreckt mich.

Nach den zwei Ärzten weiß ich nun, dass das Schlüsselbein NICHT wieder in der ursprünglichen Form zusammenwächst, sondern nur verschoben und damit verkürzt. Der Rucksackverband dient der Streckung mit der Hoffnung so die Verkürzung (also die Überlagerung der Knochen) zu mindern.

Zudem bildet sich ein "neuer" Knochen (Callus) der durchaus als kleines Ei oder Verdickung deutlich sichtbar sein kann.

Diese Information birgt für mich ein Problem: Aufgrund einer muskulären Schiefe seit Geburt an, ist die rechte Schulterseite deutlich kürzer als die linke – eine weitere Verkürzung könnte meiner Meinung nach zu massiven Haltungsschäden führen.

Alles nicht ideal.


Hannes schildert auf seiner Homepage die normale Vorgehensweise nach einem Bruch (Rucksackverband) und erwähnt neben der konventionellen Platten-OP eine dritte Möglichkeit: Die Behandlung durch eine minimal-invasive OP mit Einsetzen eines Titan-Stiftes – bezeichnet als "Prevot-Nagelung".

Diese Methode wird laut Hannes u.a. in Bern, Berlin und Köln praktiziert. Bei der weiteren Recherche fand ich u.a. folgenden Artikel "Durchs Schlüsselloch an Schlüsselbein" in dem diese Methode kurz und informativ dargelegt wurde. Wesentlich ist hier die Arbeit einer Arbeitsgruppe um Herrn Prof. Rehm und Herrn Dr. Jubel in Köln.

Weitere Hinweise fand ich unter der Erwähnung der so genannten "Kölner Methode".


Der Link zu der Homepage der Unfallchirurgie der Uniklinik Köln bietet u.a. die Adresse und die Telefon-Durchwahl. Zu Beginn war ich dieser Idee der Prevot-Nagelung sehr abgeneigt – wieso eine OP wenn ich mit dem Rucksackverband angeblich auskomme? Wieso eine Vollnarkose mit all meinen Folgeproblemen wenn ich beim Rucksackverband mit vier Wochen Einschränkung aber ohne jede Narbe auskomme? Wieso stationäre Aufnahme etc.?

Komischerweise springt meine Mutter direkt auf dieses Thema an und verweist auf ihre Intuition – sie interessiert sich für diese Methode und möchte mehr darüber wissen. Das ist wohl mein Glück.


22. April 2005

Die Nacht war etwas besser, ich lerne mich zu drehen, zu lagern etc.

Meine Abneigung gegen die Prevot-Nagelung schmilzt dahin, da ich mehr und mehr den Glauben in den Rucksackverband verliere. Wie sollen Knochen zusammenwachsen, wenn es die ganze Nacht in meiner Schulter knackt?


Dann kommt noch die Information: Erst bildet sich eine Art Bindegewebe, dann wird es fester und über Monate und Jahre bildet sich ein neuer Knochen. Angeblich dauert die komplette Heilung bis zu zwei Jahren. Irgendwie keine reizvolle Aussicht.


Mein Gespräch mit einem Arzt der Uniklinik ist ergiebig und ich fühle mich als Kassenpatientin gut beraten. Mehr und mehr interessiere ich mich für die OP-Methode und erfahre mehr darüber.

Die wesentlichen Fakten:

1. Diese OP-Methode ist nur in den ersten 10 Tagen nach dem Bruch möglich, da dann die Knochenenden beginnen zu heilen.

2. Mit dem Nagel/Stift werden die Bruchstücke "aufgefädelt" und eingerichtet – so dass das Schlüsselbein seine ursprüngliche Länge wieder erhält.

3. Wenn ich richtig informiert bin, wurde diese Methode in Köln entwickelt.

4. In den letzen fünf Jahren wurden in der Unfallchirurgie der Uniklinik Köln rund 250 Patienten mit dieser Methode operiert.

5. Nicht bei allen Brüchen ist es möglich diese Methode anzuwenden, ist der Bruch zu kompliziert oder zu "zersplittert" kann man den Stift nicht einsetzen


Fazit: Diese OP-Methode lässt sich zwischen der konservativen Methode des Rucksackverbandes und der Platten-OP einordnen.

Der Arzt gibt für die Rucksackmethode folgende Informationen: vier Wochen Schmerzen und sechs Wochen Rucksackverband... Meinung Nummer 3.


In Hessen führt wohl auch die Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik in Frankfurt/Main diese OP durch, hat aber weitaus weniger Erfahrung. Die Unfallklinik in Hofheim/Taunus richtet wohl einen Großteil der Brüche mit Platte und seltener über den Rucksackverband.

Über Berlin oder Bern (siehe Homepage) informiere ich mich aufgrund der Distanz nicht.


Dr. A. bietet mir in dem Gespräch einen OP-Termin für den kommenden Mittwoch an (27.4.2005) und bittet mich um Übersendung der Röntgenbilder per e-mail. Ich benutze meinen normalen Flachbett-Scanner vom Aldi und erhalte äußert gute jpg-Bilder. Nach einer Besprechung mit Kollegen erhalte ich von ihm das Okay – auf Basis der vorliegend Informationen geht er davon aus, dass eine OP mit der Prevot-Nagelung möglich ist.

So plane ich nun für Dienstag die Fahrt nach Köln und die OP am Mittwoch. Aufgrund des minimal-invasiven Eingriffs geht man von einem recht kurzen stationären Aufenthalt aus.


Von einem Chirurgen des St. Vinzenz-Klinikums in Mainz erhalte ich ungefragt Meinung Nummer 4: Er rät von einer OP ab und meint der Bruch heile auch mit Rucksackverband – dieser müsse aber jeden Tag nachgezogen werden.

Der Rucksackverband führt inzwischen zu Verspannungen und Rückenschmerzen – schon nach drei Tagen.


26. April 2005

Abfahrt gegen 7:30h. Die Schmerzen sind inzwischen durchaus erträglich. Die etwa zweistündige Fahrt überstehe ich auf der Rückbank (hinten links) recht gut. In der Klinik angekommen melde ich mich gegen 10h an um dann auf der Station mein Zimmer in Beschlag zu nehmen. Zur Mittagszeit kommen die Anästhesistin und ein Assistenzarzt. Der Chirurg erklärt mir nochmals die genaue Vorgehensweise und erklärt, dass es bei einem Scheitern der Stift-Methode üblich ist eine Platte zu setzen. Dies würde ich gerne vermeiden, lasse mich aber überzeugen einzuwilligen.


Zu der Möglichkeit einer Platte kommt die Gefahr von Sensibilitäts-Störungen durch zerstörte Haut-Nerven. Aber die Gefahr besteht bei jeder OP. Größere Nerven laufen hinter dem Schlüsselbein. Gefährdet ist laut Assistenzarzt evtl. ein Blutgefäß. Nunja, hoffen wir mal nicht – aber das ist das gleiche Phänomen, wie die Angst nach dem Lesen eines Beipackzettels...


Die Anästhesistin bietet mir zwar eine Lokal-Anästhesie an, diese ist aber laut Chirurg nicht möglich. Ich komme also um die Vollnarkose nicht rum.

Auf mein Insistieren hin werden nochmals Röntgenbilder gemacht – irgendwie hege ich noch die Hoffnung, dass sich das Schlüsselbein bei einem der vielen "Knacks" wieder total toll eingerichtet hat und eine OP nicht nötig ist... Pustekuchen: Als ich die digitalen Bilder in der Hand halte, habe ich meinen Schock weg: Der Bruch hat sich noch weiter verschoben. Die Bruchstücke stehen übereinander mit einem Abstand von etwa einer Knochenbreite, vielleicht etwas mehr als 1 cm. Wie bitte soll DA was zusammenwachsen? Die berühren sich nicht mal!! Auf einmal wird mir klar, dass ich ohne diese Entscheidung für die OP ein echtes Problem hätte!

Szenario:

Mein Orthopäde hätte am 9. Tag nach dem Sturz eine Kontrolle per Röntgen gemacht. In dieser Zeit hat der Rucksackverband vermutlich die Enden voneinander entfernt. Es wäre also dieser große Zwischenraum festgestellt worden. Ich gehe zu 99,9% davon aus, dass so etwas nicht von selbst heilt und nicht weiter mit Rucksackverband zu behandeln gewesen wäre.

Nehmen wir diese Theorie: An Tag 9 wäre also eine Kontrolle gemacht worden, bei der klar wird, dass eine OP nötig ist. An Tag 10 ist es zu spät für die Prevot-Nagelung (vorausgesetzt man kennt sie überhaupt).

Da Tag 9 ein Freitag war, hätte ich mich für die Platten-OP entscheiden müssen – die Stift-Methode wäre nicht mehr möglich gewesen.


28. April 2005

Die OP ist gut verlaufen – keine Platte sondern der Nagel. Allerdings mit zwei Schnitten, einen am inneren Ende (medial) zum Einführen des Stiftes und eines auf Höhe des Bruchs um bessere Sicht zu haben. Auch die Abschürfungen auf meiner Haut neben der Narbe werden mir erklärt: Um den Stift einzuführen wird ein "Handgriff" angesetzt und durch Drehen oder so der Stift eingesetzt. Daher die Abschürfung. Eine postoperative Aufnahme soll zeigen, wie der Nagel liegt. Der Nagel liegt gut – ich darf am nächsten Tag gehen!


Vormittags kommt eine Physiotherapeutin und macht mit mir etwas Krankengymnastik. Sie zeigt mir verschiedene Bewegungen – so unter anderem das Kreuzen der beiden Arme vor der Brust und dann wegstrecken nach unten vorne.

Inzwischen tut mir der Rücken weh, vom vielen Liegen (ganz normal aber trotzdem schmerzhaft). Ich traue mich zwar, auf der linken Seite zu liegen, mit einem Kissen im rechten Arm – aber einen Großteil der Zeit verbringe ich auf dem Rücken liegend.


29. April 2005


Ich bin noch einen Tag lang krank geschrieben. Eigentlich kann ich nach der ärztlichen Info alles machen – ich darf den Arm nur nicht über 90° heben und nichts Schweres tragen. Die begonnene Krankengymnastik soll weiter geführt werden – ich habe schon Termine zuhause in einer Physiotherapie-Praxis. Die Schulter ist "übungsstabil" aber erst nach 6 Wochen "belastungsstabil". Die Sterisstrips an der Wunde kommen am Tag 10 nach der OP ab, die Fäden sind resorbierbar und lösen sich selbst auf.

Autofahren darf ich nicht – tue ich es trotzdem, fahre ich ohne Versicherungsschutz. Das alles gilt für 6 Wochen. Aufs Pferd geht's dann wohl auch erstmal nicht. Der Nagel kommt dann nach 6 Monaten raus. Diese kleine OP kann laut dem Assistenzarzt + jede Klinik machen, die sich mit Prevot-Nagelung auskennt. Ich werde aber wieder nach Köln fahren.


30. April bis 6. Mai

Von Tag zu Tag werden die Beschwerden besser. Habe ich mich zu Beginn noch nicht getraut die Schulter eigenständig zu bewegen, so geht das nun auch. Die Bewegungsabläufe werden immer normaler – ich verkrampfe weniger und traue mich mehr. Das Kopfteil meines Bettes war etwas zwei Tage lang noch leicht aufgestellt. Bald schlafe ich jedoch wieder "gerade".

Hilfreich ist ein Kissen – ruhig recht groß und dick – zur Lagerung des rechten Arms. Die Schulter sollte leicht ausgestellt sein und unverkrampft ruhen. Dazu nimmt man einfach ca. 1/3 des Kissens in den Arm. Das ist auch ein Trick bei unvermeidbaren Autofahrten: Kissen oder Armstütze!

Wie auch im Krankenhaus kann ich zuhause auf der linken Seite liegen, mit dem Kissen im rechten Arm. Dabei spüre ich jedoch die Wunden und evtl. den Nagel selber.

Einige Bewegungen sind schmerzhaft, so z.B. das Hochziehen von engen Hosen, das ruckartige Nach-hinten-strecken des Arms beim Anziehen und das Zusammendrücken der Schultern. Am 3.Mai habe ich meine erste KG und mein Therapeut ist sehr zufrieden. Er gibt mir ein paar Tipps zur Mobilisierung der Schulter. So soll ich z.B. mit dem rechten Arm locker pendeln. Viele normale Bewegungen mache ich schon wieder bewusst oder unbewusst.

Teilweise liege ich morgens mit abgewinkeltem Arm im Bett – ich nehme an sogar mit einem Winkel über 90°. So lange es nicht schmerzt, sie dies okay – Info des Physiotherapeuten.

Inzwischen liege ich auch wieder auf der rechten Seite, den Kopf gut gestützt durchs Kopfkissen, den rechten Arm an den Körper gelegt und im linken Arm das große Kissen.

Das geht jedoch nur, so lange ich mich wohl fühle und schmerzfrei bleibe – und auf die 90° achte.


Die 90°-Regel erklärt sich folgendermaßen: Bei Bewegungen des gesamten Arms unterhalb des rechten Winkels, kommen diese Bewegungen aus der Schulter und dem Schultergelenk. So bald 90° (in etwa) überschritten werden, bewegt sich das Schulterblatt mit. Gleichzeitig wird bei einer Bewegung des Schulterblatts aber auch das Schlüsselbein angesprochen – sozusagen als Gegenstück auf der Vorderseite. Laut meinem Physiotherapeuten kann das Schlüsselbein sich sowohl vertikal also auch horizontal bewegen und zudem um die eigene Achse rotieren (in eingeschränktem Maße). Diese Bewegungen werden aber vor allem durch Bewegungen über dem rechten Winkel ausgelöst und sollten vermieden werden.

Der Begriff der "Übungsstabilität" erklärt sich von selbst: Es können Krankengymnastik und/oder Manuelle Therapie durchführt werden, Übungen zur Mobilisierung und Stärkung gemacht werden – eine normale Belastung ist noch nicht möglich.


Hinweise:

Viele Bewegungen aus dem Alltag mache ich inzwischen auch wieder mit der rechten Hand:

Zähneputzen, Haare kämmen, Flaschen öffnen, Tippen etc.

Jedoch achte ich bei allen Bewegungen auf die Schmerzfreiheit. Ich denke ich kenne meinen Körper gut genug, um auf ihn zu hören.

Schwierig wird es manchmal beim Hinlegen und Aufstehen. Der verletzte Arm sollte keinesfalls zum Abstützen genutzt werden – also muss das gesamte Gewicht anderweitig getragen werden. Hilfreich ist der Trick mit den Beinen als Hebel: Bis zu Bettkante rutschen, beide Beine raushängen lassen und sich mit dem gesunden Arm abstützen. Dabei kann man den Schwung der Beine als Heben nutzen.


Das Thema Duschen und Waschen bleibt für einige Zeit ein Problem. Mir ist es in den ersten Tagen nicht gelungen mich selber komplett zu waschen und abzutrocknen, da einige Bewegungen nicht möglich waren (man verrenkt sich doch sehr). Hier ist Hilfe vonnöten – oder gute Ideen!

Die Wunden (bei mir mit resorbierbaren Fäden und Sterisstrips) dürfen nicht nass werden.

Als Tipps erhalte ich aus der Klinik den Hinweis auf Frischhaltefolie – damit abkleben. Genauso gut sollen sich Müllsäcke eignen. Ich dusche erstmals am Wochenende nach der Entlassung mit einer recht komfortablen Konstruktion: Plastiktüte (durchsichtig und stabil, eine Art Gefrierbeutel) auf ein Dreieck zugeschnitten und festgeklebt mit einer Art Hansaplast. Die Wunden bleiben trocken.

Zum Thema Haare ein Tipp für Leidensgenossen: Da die Bewegung, die normalerweise nötig ist, um sich einen Pferdeschwanz zu binden, nicht erlaubt ist (Arme überm Kopf = fällt unter die 90° Beschränkung) folgendes Vorgehen: Haare ganz normal kämmen, dann an einen Tisch setzten und beide Ellenbogen aufstützen. Durch Vorneigen des Kopfes bzw. des Oberkörpers erreicht man mit beiden Händen den Nackenbereich ohne den verletzten Arm zu sehr zu belasten. Jedoch auch hier wieder auf die 90° achten. Theoretisch geht dies auch ohne Aufstützen, mir reicht jedoch die Kraft in den Armen nicht, um sie (zumindest den rechten) gleichermaßen eng am Körper zu halten und die Haare zu erreichen. Um es sich einfacher zu machen, kann man von Haargummis auf Haarspangen umsteigen.


Die Kleidung muss man umstellen, enge Tops oder normale T-Shirts sind für mich definitiv erledigt – vorerst. Selbst wenn ich reinschlüpfen kann, das Rauskommen ist eine Tortur. Also nur Kleidung, die ich von unten anziehen kann – oder in die ich einfach reinkomme, da sie vorne durchgeknöpft sind. Dazu eignen sich u.a. Tops mit Spaghetti-Trägern sowie alle Bekleidungsstücke mit weiten, dehnbaren Ausschnitten. Ich habe einige ältere Sweat-Jacken wiederbelebt und von meiner Mutter Oberteile mit Reißverschluss oder Knopfleiste geliehen.

Auf BHs sollte man erst mal verzichten, da die Träger evtl. scheuern oder gar einschneiden. Der gesamte Schulterbereich ist schmerzempfindlich und meist auch (massiv) verspannt. Ich habe gute Erfahrungen mit Bustiers (Tops) von Sloggi Sensual gemacht. Die sind dehnbar (von unten einsteigen!!) und leicht.

Blusen, Hemden etc. sind einfach ultimativ. Man sollte aber beim Anziehen darauf achten, auch bei Schmerzfreiheit langsam zu machen und den verletzten Arm nicht zu stark und ruckartig strecken.

Teilweise kombiniere ich Kleidung im Zwiebelschalen-System: Bustier, Unterhemd, Trägertop (breite Träger) und Bluse.

Auch beim Schlafanzug sollte man auf eine durchgehende Knopfleiste achten.


Zum Schuhe anziehen sind natürlich Slipper etc. die einfachste Variante. Hilfreiches Utensil ist aber auch bei allen anderen Schuhen ein längerer Schuhlöffel. Man sollte sich zum Schuhe Anziehen nicht auf einen Stuhl sondern besser auf eine Treppenstufe setzen, da so der Abstand geringer ist. Gleichermaßen bleibt der Arm im Winkel unter 90°.

Schuhe zubinden ging bei mir recht schnell wieder.


Allgemeine Bemerkungen:

Erst nachdenken, dann bewegen! Wie oft wollte ich mit dem verletzten Arm mal eben über mich ins Regal greifen, etwas heben oder Tasche tragen. Nein! Erst überlegen, dann handeln. Die linke, gesunde Hand ist in den letzten zwei Wochen weitaus mobiler und geschickter geworden, als zuvor. Als stark ausgeprägte Rechtshänderin habe ich die linke Hand meist stiefmütterlich behandelt. Viele Bewegungen müssen nun aber mittelfristig mit links ausgeführt werden – und klappen recht schnell. Der Körper denkt aber mit. Die Feinmotorik der linken Hand hat sich massiv gebessert.


Nach eigenem Gefühl handeln: Ärzte und Physiotherapeuten kennen die Lehrbeispiele, die allgemeinen Fälle, die Regeln etc. – aber sie kennen nicht den einzelnen individuellen Körper.

Wenn etwas wehtut, dann sollte man das ansprechen, ergründen und wenn nötig behandeln. Nach einer KG hatte ich massive Schmerzen im Brust-/Thorax-Bereich. Diese konnte mir mein Therapeut einleuchtend erklären (lerne immer noch dazu): Der Muskel, der innen am Schulterblatt ansetzt, endet an den Rippen. Wenn er mich nun animiert die Schultern nach hinten zu nehmen und dann mit Griffen für Mobilität, Stabilität etc. sorgt – dann wird eben dieser Muskel gereizt.

Die Schmerzen waren nach 24 Stunden weg.


6. Mai 2005

Nach neun Tagen nach der OP bin ich soweit schmerzfrei, normal eingeschränkt belastbar (man kann es jedem erklären, mit Mühe sogar dem Paket-Boten) und schätze es so ein, dass ich mich notfalls alleine versorgen könnte.

Probleme gibt es noch beim Essen zubereiten, Schneiden von Broten etc. sowie das Öffnen von Konserven mit "Pull"-Ring ist schwierig. Viele Handgriffe in der Küche muss man überdenken und einfach in der Abfolge ändern. So z.B. gestapelte Behältnisse einzeln entnehmen und abstellen, nicht mit der verletzten Hand dazu greifen.

All das lässt sich aber durch eigene Erfahrung und Beobachtungsgabe lernen.


9. Mai 2005

Beim Hausarzt werde ich die Steristrips los – es ist Tag 12 nach der OP und die Wunden sehen recht gut aus. Die kleine "Eingangs-Wunde" am medialen Ende des Schlüsselbeins ist winzig und unauffällig. Die andere in der Mitte, dort wo der Bruch vorlag ist größer und auffallender. Aber ich bin zufrieden.


10. Mai 2005

Röntgenkontrolle beim Orthopäden (jener, der sich der Meinung der Ärztin aus der Notaufnahme anschloss und sehr locker mit der Thematik Rucksackverband umging):

Der Stift sitzt bombenfest genau dort, wo er am Tag 1 auch saß.

Ich bin erleichtert, da ich doch schon einige Bewegungen mache, die nicht unbedingt im Sinne des Erfinders sind...

Geradeheraus frage ich meinen Orthopäden, ob ihm diese Methode bekannt war. Er bejaht und sagt es gäbe diese schon länger, sie sei aber recht risikoreich da man den Stift einfädeln müsse und aus einem geschlossenen Bruch einen offenen machen würde (Häh???).

Meine Frage, weshalb er mich nicht darauf hingewiesen hat, beantwortet er ähnlich.


Leicht gereizt zeige ich ihm die Bilder vom Tag 6 und er stutzt – so hat er sich das wohl nicht vorgestellt... Auf meine Frage hin, was er denn getan hätte, wenn wir an Tag 9 bei ihm in der Praxis genau diesen Zustand entdeckt hätten kommt folgende Antwort: "Man hätte dann doch mal überlegen müssen, ob man dich nicht woanders vorstellt und über eine OP nachdenkt". Als ich ihn auf die zeitliche Begrenzung der Prevot-Methode hinweise, widerspricht er und meint diese wäre auch nach dem 10. Tag genauso machbar. Ich kontere, dass ich bei den "Entwicklern" der Methode unterm Messer lag (so meine Info) und er meint frech "Das gibt es schon weitaus länger, Prof. Rehm hat das Rad nicht neu erfunden." Außer Allgemeinplätzchen scheint ihm nichts mehr einzufallen.

Achja, ich dürfe mit dem Arm nicht über die Waagerechte (achnee) und nicht zuweit nach hinten (DAS habe ich auch schon so gemerkt) und vor der Brust kreuzen soll ich auch nicht – das stauche das Schlüsselbein. Letzteres kommt mir spanisch vor – später weiß ich auch warum.

Wenige Stunden später berichte ich meinen Physiotherapeuten von dem Gespräch. Er wundert sich über die Definition des "offenen" und "geschlossenen" Bruchs. Als ich ihm die angeblich verbotene Bewegung (rechten kranken Arm vor Brust kreuzen bzw. linke Schulter berühren) zeige, macht es Klick: Die Bewegung kenne ich!! Das war eine der ersten, die bei der KG in der Klinik gemacht wurden! Beide Arme kreuzen etc. – siehe oben!

Mein Therapeut ist baff – genau diese Bewegung wird zur Mobilisation der Schulter angeraten, zudem "staucht" sie das Schlüsselbein nicht, sondern übt Druck auf den Bruch aus. Ohne Druck und Spannung wächst ein Bruch aber schlecht zusammen – durch diese Bewegung wird also das Knochenwachstum angeregt. Ärzte....


Meine Frage nach der zeitlichen Begrenzung der Prevot-Methode kann der Krankengymnast erläutern: Nach etwa 10 Tagen setzt Callus-Bildung ein und es bilden sich neue Knochenzellen.

Man müsste also, um die Bruchenden aufzufädeln, diese "abschleifen" und vom Callus befreien. Na toll, dass hieße die Bruchstelle zu eröffnen und führt den minimal invasiven Charakter ad absurdum!


Er selber hat mit mir seinen zweiten Prevot-Clavicula-Patienten unter den Händen. Den ersten in der Uniklinik Mainz. Er kennt die Methode auch nur daher. Aber immerhin kennt er sie... Bei meinem Orthopäden habe ich inzwischen den Eindruck, dass er die letzten zwei gut genutzt hat – und sich über die Methode informiert hat.


Nun schließt sich das Buch, weitere Arztbesuche wird es hoffentlich in der nächsten Zeit nicht geben. Ich fühle mich gut und werde am Freitag auch das Kapitel "Manuelle Therapie und KG" abschließen. Den Nagel spüre ich manchmal – er ragt etwas aus dem Knochen um ihn beim Entfernen greifen zu können.

Mein Physiotherapeut ist zufrieden, ich bin es auch. Was will man mehr?


Fazit

Ich bereue die Entscheidung für die OP nicht. Die Methode der OP-Nagelung war für mich ideal.

Laut meinem Physiotherapeuten hätte man schon auf der Röntgenaufnahme aus der Notfallaufnahme erkennen müssen, dass der Abstand der Bruchenden zu groß ist. Es hätte zudem eine zweite Aufnahme aus einer zweiten Ebene/Perspektive gemacht werden sollen.

Meine vorliegenden Röntgenbilder zeigen nur die Schulter in frontaler Draufsicht.


Hätte, sollte, wäre, könnte.... Alles in allem hatte ich nun wirklich Glück im Unglück.

Aber ich hatte Unterstützung von anderen, von der Familie, vom Freund, von einem sehr engagierten Arzt an der Uniklinik Köln und indirekt von Leidensgenossen, die sich im Internet äußern oder austauschen.

Alles hätte auch anders laufen können – aber es ist so genau richtig gelaufen.



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Stand: 10.07.2006

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